Körper • Wechsel • Jahr ist ein gemeinsames Projekt von Sabine Imhof (Fotografie) und Nadine Siegert (Bewegung), entstanden 2003 – 2007.
Begonnen hatte das Projekt wie in der traditionellen Kalenderzählung üblich in einem Januar. Von nun an sollte sich unser Augenmerk von Monat zu Monat ganz der Befindlichkeit des jeweiligen Monats widmen. Dabei spielten sowohl Ort, Kostüm, Bewegungsart als auch fotografischer Ausdruck eine Rolle, und interessanterweise sorgte sich das Jahr 2003 wettertechnisch ebenfalls sehr um das Gelingen des Projekts.
Mit der Fertigstellung und bei der Betrachtung der ausgewählten Motive hat sich plötzlich eine interessante Verschiebung der Jahreseinteilung hin zu einer emotional hergeleiteten Umstrukturierung der Quartale und des Jahresbeginns ergeben, die sich an den tatsächlichen Jahresrhythmus der Jahreszeiten anlehnt:
Die Monate März, April und Mai bilden jetzt das erste Quartal und stehen für den Anfang, das Werden, das junge Leben. Juni, Juli und August verströmen heitere Ausgelassenheit, stehen voll im Leben – alles ist möglich. Den Monaten September, Oktober und November wohnt ein gewisser Zwiespalt inne – innerhalb der drei Monate wechselt die Stimmung von Gelassenheit über eine Art zweiter Frühling hin zu tiefer, in sich gekehrter Stille. Besinnung suchen und finden die Monate Dezember, Januar und Februar, wobei sich Dezember und Januar mit Themen der Vergangenheit und Zukunft beschäftigen und der Februar eine Brücke hin zum neuen Jahreszyklus schlägt – gleichzeitig ausharrend und neugierig.
Der Monat März als Zeitpunkt des gefühlten Jahresbeginns hat sich mit dieser neuen Quartalsaufteilung ganz organisch herauskristallisiert. Begibt man sich in den Bereich der geschichtlichen Kalenderforschung, so gewinnt der zunächst gefühlte Rhythmus zunehmend an Basis: In der altrömischen Kalenderrechnung vor 153 v. Chr. begann das Jahr mit dem 1.März, was sich heute noch in der Benennung der einzelnen Monate wieder finden lässt (September = 7.Monat, Oktober = 8.Monat, November = 9. Monat, Dezember = 10.Monat). Die Varianten der Jahresanfänge waren noch bis zum ausgehenden Mittelalter sehr zahlreich (z.B. 25.März in England und Irland bis 1753, 1.September in der griechischen Kirche), so sind auch noch immer die Varianten, ein Jahr zu definieren – denn auch der meteorologische Jahresrhythmus beginnt mit dem 1.März - groß.
Verlassen wir also einmal den normierten und festgelegten Raum der Jahreszählung und termingerechten Kalendereinteilung, besinnen uns auf unseren eigenen empfundenen Rhythmus und lassen uns überraschen.
Ein weiterer spannender Gedanke zum Thema, der bei vielen sehr unterschiedlich ausfällt, ist die imaginierte Laufrichtung des Jahres. Meine persönliche Jahresimagination läuft entgegengesetzt des Uhrzeigersinnes, wobei März bei 5 Uhr und August bei 12 Uhr angesiedelt sind.
Allem gemeinsam ist der Umstand der Linearität – die Zeit, die unabänderlich voranschreitet –, sowie der zyklische Rhythmus – die Wiederkehr von Ähnlichem –, verbunden durch ein unendliches Band.
Analoge Fotografie; Abzüge auf Barytpapier, kaltgepresst, ca. 30 x 40cm auf 50 x 50cm Karton
Postkartenkalender immerwährend, 12,3 x 17cm